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Change-Psychologie: Was ist los im Kopf von Herrn Nein-Sager?

Simone Flattich • 30. Dezember 2024

Widerstand gegen die nachhaltige Transformation verstehen und richtig kommunizieren

Du treibst die Nachhaltigkeit in einem Unternehmen voran und bekommst Gegenwind. Was tun? Vergiss Appelle an die Vernunft - denn die Wurzeln des Widerstands reichen viel tiefer.

Es gibt diese Meetings, nach denen du alles in Frage stellst. Nehmen wir einmal an, du willst Führungskräfte ins Boot holen, um ambitionierten Klimaschutz umzusetzen.


Doch eine Person steht nur auf der Bremse: Herr Nein-Sager. „Natürlich ist Klimaschutz wichtig", sagt er, „aber …“, und dann folgen diverse Einwände, von „Wirtschaftskrise“ über „zu kompliziert", „zu teuer“, bis hin zu „Damit verlieren wir Kunden“ oder „Unsere Leute können das nicht“.


Seine Geht-nicht-Arie will nicht enden - und wäre das nicht genug, steckt er  auch noch andere Kolleg:innen mit seinem Pessimismus an.

 

Nach so einer Diskussion kann es schwer sein, zuversichtlich zu bleiben. Außer Minimallösungen scheint nichts machbar. Wegen Menschen wie Herrn Nein-Sager hast du das Gefühl, ihr tretet auf der Stelle.


Was die Nein-Sagers dieser Welt jedoch nicht umstimmt: noch mehr Fakten und noch mehr dringliche moralische Appelle.


Damit verschwendet man nur Energie und läuft Gefahr, sich aufzureiben. Denn wie bei jeglicher Transformation gilt auch für das Thema Nachhaltigkeit:

  • Widerstand gegen Veränderung ist normal.


  • Die psychologischen Wurzeln des Widerstands reichen tief.

 

  • Veränderung erzeugt Emotionen, die rationale und moralische Argumente allein nicht überwinden.


  • Widerstände abzubauen braucht daher oft mehr Zeit, als engagierten Menschen lieb ist.

4 Brems-Systeme blockieren den Wandel

Es führt kein Weg daran vorbei: Um Herrn Nein-Sager bei der Transformation an Bord zu bekommen, müssen wir ihn erst einmal besser verstehen.  


Was macht ihn zum Blockierer? In seinem Kopf wirken vor allem diese vier Brems-Systeme:

1. Kognitive Dissonanz: der innere Konflikt

Illustration: Blick in Herrn Nein-Sagers Kopf, in dem zwei Männer miteinander ringen

Herr Nein-Sager steht morgens nicht mit dem Vorsatz auf: „Heute pfeife ich auf Umwelt und Menschenrechte!“ In seinem tiefsten Innern hält er Nachhaltigkeit für wichtig.


Aber er genießt es auch, einen schweren SUV als Dienstwagen zu fahren, und achtet beim Wocheneinkauf eher auf Schnäppchen  als auf Fairtrade, Tierwohl und Verpackung.


Woran der Kollege glaubt und wie er handelt, ist zutiefst widersprüchlich – und so geht es allen Menschen in unserer Wohlstandsgesellschaft. Diese inneren Widersprüche fühlen sich nicht gut an. Denn am liebsten wollen wir Menschen im Einklang mit unseren Werten handeln.


Was also macht Herr Nein-Sager gegen den Krawall im Kopf? Er schaltet ihn stumm und findet vermeintlich rationale Einwände wie: „So wichtig ist das alles (jetzt gerade) nicht“, oder „Andere müssen zuerst was tun“.

 

Wo liegt deine Chance als Changemaker:in?


Sprich offen über die Widersprüche, z.B. in deinem eigenen Verhalten.

Mache die kognitive Dissonanz zum Thema in der Change-Kommunikation und stelle klar:


Niemand wird für sein individuelles Handeln angeprangert, und auch kleine Schritte sind ehrenwert. So schaffst du psychologische Sicherheit für die Veränderung. 

2. Das liebe Gewohnheitstier

Routinen sind eine feine Sache, denn sie sorgen dafür, dass wir relativ stressfrei unseren Alltag bewältigen.


Nehmen wir an, Herr Nein-Sager leitet ein Team im Einkauf. Die Kolleg:innen haben einen festen Stamm an Lieferanten. Die sind „im System“, die sind zuverlässig, die kennen das Team, und das Team kennt sie.


In Zukunft sollen jedoch Umweltschutz und soziale Kriterien stärker gewichtet werden. Schon der Gedanke daran nervt Herrn Nein-Sager. Er verteidigt die bewährten Routinen  mit fragwürdigen Argumenten:


„Unsere Lieferanten stehen für Qualität", „Andere sind vielleicht öko, dafür aber unzuverlässig“, „Meine Kollegin X in Firma Y erzählt von kritischen Engpässen“, etc.


Doch in Wahrheit hängt Herr Nein-Sager einfach sehr am Status-quo. Routinen zu ändern und neue zu bilden, erfordert Energie und Zeit. Bis eine neue Verhaltensweise eingeübt ist und den Stresspegel nicht mehr steigen lässt, können etliche Wochen oder sogar Monate ins Land gehen.

 

Wo liegt deine Chance als Changemaker:in?


Stellst du Herrn Nein-Sager vor vollendete Tatsachen, wird er kaum mitziehen. Mehr Erfolg verspricht es, ihn frühzeitig einzubinden und den „Change Impact“ auf den Alltag zu ermitteln, positiv wie negativ.


Arbeite in deiner Kommunikation heraus, wie Herr Nein-Sager und sein Team selbst von der Veränderung profitieren, z.B. von klaren Standards, die pro Kopf jeden Tag 1 Stunde Admin-Aufwand sparen.


Mach es Herrn Nein-Sager und seinem Team so einfach wie möglich, die neue Routine zu etablieren. Schaffe kognitive Leichtigkeit, z.B. dadurch, dass neue Prozesse simpel und glasklar beschrieben sind.


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3. Das Schulhof-Prinzip und die eigene Identität

Homo Sapiens ist ein soziales Wesen. Wir brauchen andere Menschen, um zu überleben. Das ist seit Urzeiten so und prägt unser Verhalten.


Teil einer Gruppe zu sein, vermittelt uns Sicherheit, und nicht dazuzugehören, versetzt uns in Stress – auf dem Schulhof wie später im Leben. Darum machen sich Einzelne gerne die Verhaltensweisen und Meinungen ihrer Peergroup zu eigen.


Auch Herr Nein-Sager ist von seinem Umfeld beeinflusst. Vielleicht schimpft man in seinem Freundeskreis auf die „grünen Snobs“ oder die „woken Besserwisser“.


Identifiziert sich Herr Nein-Sager mit solchen Ansichten, kann ihn dein Projekt in einen inneren Konflikt bringen.

 

Wo liegt deine Chance als Changemaker:in?


Soziale Ansteckung funktioniert auch im positiven Sinn. Gewinne in verschiedenen Bereichen des Unternehmens einflussreiche Verbündete als Change-Promotor:innen, die auch mit Leuten wie Herrn Nein-Sager auf gutem Fuß stehen. Sie können als Vorbilder wirken.


Lasse in der Change-Kommunikation Menschen zu Wort kommen, mit denen sich Herr Nein-Sager identifiziert.

4. Eintagsfliegen-Denken und Angst vor Verlust

Verbraucht euer Unternehmen weniger Strom, spart es Geld. Erfüllt es strengere ESG-Anforderungen von Großkunden, verteidigt es seine Position am Markt. Solche Anreize wirken direkt und kurzfristig und lassen sich auch Herrn Nein-Sager relativ einfach vermitteln. 


Was aber, wenn sich der Nutzen der Veränderung nicht so schnell einstellt, von Herrn Nein-Sager aber schon heute einen hohen Einsatz erfordert? Hier greifen gleich zwei mentale Bremssysteme:


Wir Menschen sind eher schlecht darin, langfristig zu denken – und Ressourcen in unsere Zukunft zu investieren, fühlt sich an wie ein Verlust. Wir zögern, sobald wir in Vorleistung gehen sollen.


Emotional gesehen ist Herrn Nein-Sager sein zukünftiges Ich so fremd  wie eine Person, die er irgendwo auf der Straße sieht. Sich heute anzustrengen, um übermorgen besser dazustehen, motiviert ihn kaum.

 

Wo liegt deine Chance als Changemaker:in?


Zeichne in deiner Kommunikation konkrete Bilder der Zukunft  und zeige auf, wie sich das Leben von Herrn Nein-Sager verbessert haben wird. Nutze Storytelling, um ihm sein zukünftiges Ich nahezubringen. Er muss sich in diese „fremde“ Person hineinfühlen.


Mache den Gewinn für Herrn Nein-Sager plastisch. Das müssen keine materiellen Anreize sein, denn auch andere Motive bringen Menschen ins Handeln, z.B. ein Gewinn an Sicherheit, der Stolz auf die eigene Leistung, die Idee der Vorreiterschaft, Freude an neuen Aufgaben oder bessere Karrierechancen …


Wichtig: Das gute Gewissen oder der eigene Beitrag für eine bessere Welt sind nicht für alle Menschen ausreichend starke Motive, um die mentalen Bremsen zu lösen.

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Fazit

Herr Nein-Sager ist nicht dein Gegner. Sieh seinen offenen Widerstand als Chance: Er spricht aus, was andere Stakeholder:innen nur denken.


Finde heraus, welche seiner Einwände Substanz haben, und wo sie nur vorgeschoben sind, während die Ursachen tiefer liegen.


Schaffe in deiner Kommunikation psychologische Sicherheit, mache den persönlichen Gewinn greifbar und zeige anhand von Vorbildern, wie die Veränderung gelingt.


Nachhaltige Transformation beginnt im Kopf. Dort ist immer viel los – aber auch viel mehr möglich, als die Nein-Sagers dieser Welt behaupten!

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